Unser Vereinshaus

Die Geschichte unserers Vereinshauses - Vom „Broderschaftszelt“ zum Bruderschaftshaus.

PLAN PARCELLAIRE - MAIRIE DE GYMNICH Section H von 1846

Geländekarte
Geländekarte mit der Position des Bruderschaftshauses

Mögen die Mitglieder der Bruderschaft mit ihren Angehörigen und Freunden bei allen Festlichkeiten in diesem Hause in Frieden und Eintracht sich freuen – von Geschlecht zu Geschlecht.

Mit diesen Worten wurde auf dem seit 1865 im Besitz der Bruderschaft befindlichen Grundstück am Brüggener Wege, im Gebiet des „Pützekämpche“, am 31. Mai 1873 der Grundstein für das Vereinshaus der St. Seb. Bruderschaft Gymnich gelegt. Ein Haus, dass auch heute noch von vielen liebevoll „Broderschaftszelt“ genannt wird.

Als Erstes wurde 1866 auf diesem Platz ein Kreuz aufgestellt. Danach errichtete die Bruderschaft auf dem Gelände des heutigen Backsteinbaus jeweils zur Ausrichtung ihres Schießfestes ein Zelt mit einer schweren Holzkonstruktion. Das Auf - und Abbauen des Zeltes war jedoch recht schwierig, so dass der Entschluss, ein befestigtes Haus zu bauen, Wirklichkeit wurde.

Holzkonstruktion des Bruderschaftszeltes
Holzkonstruktion des Bruderschaftszeltes

Zur Verwirklichung ihres Vorhabens gründete die Bruderschaft eine Aktiengesellschaft. Jedes Mitglied konnte Aktionär werden. Eine Aktie kostete „10 Thaler“. Dies entspricht in etwa 15€. Die Aktie wurde mit 5% verzinst. Auszahlung war zwei Wochen nach dem Bruderschaftsfest. Ingesamt waren ca. „1.300 Thaler“ für den Bau veranschlagt.

Ausgaben zum Bau unseres Vereinshauses

für Ziegelsteine bei Wilhelm Düx , 169,27 Thaler

für Ziegelsteine bei Hubert Wildenburg, 118,27 Thaler

für Zimmerarbeiten bei Mstr. Robens, 60,28 Thaler

für Dachschiefer in Cöln, 9,10 Thaler

für Dachdeckerarbeiten an Mstr. Schwister, 17,27 Thaler

Auszüge aus dem „Wohlthäterbuch" der Bruderschaft

Das Vereinshaus von der Südseite mit Dornenhecke
Das Vereinshaus von der Südseite mit Dornenhecke

In der ursprünglichen Form war es ein rechteckiges Backsteingebäude (18m lang/13m breit), welches mit einfachen Stilelementen neugotischer Architektur ausgestattet war. Der terrassenförmig angelegte Giebel sowie einige Zierornamente im Mauerwerk wiesen darauf hin. Die Fenster waren als Rundbogenfenster gehalten und aus Gusseisen. Wurde das Haus nicht genutzt, wurden in die Fensterbögen eigens angefertigte Fensterläden eingehängt, die so schwer waren, dass sie nur mit drei Mann getragen werden konnten.

Im Inneren erwartete die Festbesucher ein ca. 130qm großer Tanzsaal. Man schaute direkt unter das Dach, welches von Dachpfosten getragen wurde. An der Nordseite befand sich die Schänke, wo unter heute nicht mehr vorstellbaren Bedingungen Bier und Wein ausgeschenkt wurden. Es gab weder Heizung, Strom, noch fließendes Wasser. Über der Schänke befand sich die Musikbühne. Der Platz war über das Jahr hinweg an die Gymnicher Bauern vermietet, die die Wiese als Heumahd nutzten. Als Pachtzins schnitten und pflegten die Bauern die Dornenhecke, welche das Gelände umgab.

Das Haus wurde in den Anfängen nur einmal jährlich genutzt - zur Abhaltung des Schießfestes, des heutigen Bruderschaftsfestes. Die restliche Zeit stand es leer - ungeheizt, Wind und Wetter sowie der Gefahr von Überschwemmungen aus dem Gebiet der nahen Erft, ausgesetzt. 1892 wurden schon erste Renovierungsarbeiten an Dach und Fußboden notwendig. Wegen der Verlegearbeiten wurde erneut auf ein Zelt zurückgegriffen.

1899 im Dezember erhielt die Bruderschaft ein Schreiben der „hochlöblichen Regierung“ - das Haus muss aus Sicherheitsgründen einen zweiten Ausgang bekommen. Die bestehende Tür wurde verbreitert und zwei neue Ausgänge wurden geschaffen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden neue Dachziegeln verlegt. Rote Ziegeln sollten es sein – diese waren aber trotz aller Mühen nicht zu besorgen. So einigte man sich auf graue Ziegeln. Aus einigen wenigen roten Ziegeln wurde der Namenszug der Bruderschaft in das Dach eingelegt.

1910-1912 musste wieder ein neuer Holzfußboden – der Dritte nun schon - verlegt werden. Die Zeit des 1. Weltkrieges (1914-1918) ging auch an dem Vereinshaus nicht spurlos vorüber. Ausländische Soldaten nutzten den Saal als Unterkunft, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Maulesel. Der Fußboden und die Dachpfosten wurden nahezu vollständig verbrannt und beschädigt. Fensterscheiben wurden eingeschlagen - das Mobiliar konfisziert. Auch die Bedachung war schon wieder der Nässe und den Kriegswirren zum Opfer gefallen. Elf lange Jahre (von 1914-1925) wurde kein Schießfest mehr im Haus gefeiert.

In Deutschland herrschte Inflation - unter diesen Voraussetzungen begannen Anfang der 1920er Jahre die Brüder mit den 5. größeren Bau- und Renovierungsarbeiten am Haus. Wieder, wie schon zu Baubeginn 1873, wurden Anteilscheine an die Mitglieder verkauft. Graf Franz Vicomte de Maistre, Schlossherr von Schloss Gymnich, beteiligte sich in großzügiger Weise an den Renovierungskosten.

Neben den dringend erforderlichen Aufbauarbeiten nahm man auch bauliche Veränderungen vor: die Orchesterbühne über der Schänke wurde abgebrochen, die Musikbühne über die Eingangstür verlegt. Die so neu entstandene Bühne erinnerte an die Emporen im Zirkus. Zwei neue Fenster wurden eingebaut und eine Schänke entstand nördlich am Saal. Das Haus wurde innen und außen mit einem neuen Anstrich versehen. Strom wurde verlegt und verbannte die Petroleumlampen in die Vergan- genheit. So erstrahlte das Haus 1925 anlässlich der Abhaltung des ersten Schießfestes nach dem 1. Weltkrieg in neuem Glanz.

Das 1866 errichtete Kreuz wurde im Rahmen dieser Baumaßnahmen von der nördlichen Seite des Schießplatzes an die südliche Giebelseite des Hauses versetzt, wie die Urkunde von 1925 dokumentiert. Diese wurde durch Zufall 1998 bei Restaurierungsarbeiten in einem Hohlkörper des Steingebildes in einer beschädigten Flasche entdeckt.

Urkunde
Die durch Zufall gefundene Urkunde

Der 2. Weltkrieg brachte die Aktivitäten der Bruderschaft erneut zum Erliegen. Das Vereinshaus, speziell das Dach, war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Haus diente schließlich als Zufluchtstätte für die Vertriebenen aus dem Osten. Auf dem Boden war Stroh ausgebreitet und ein kleiner Bunkerofen spendete Wärme.

1946/1947 trug man sich mit dem Gedanken, das Haus zu verkaufen - doch es kam zum Glück anders. Die Brüder machten sich wiederum in schwierigen Zeiten daran, das Haus zu erhalten. 1949 wurde eine erste kleine Bühne an der Nordseite angebaut und der Eingang bekam einen Windfang. 1950 wurde das eigentlich 1939 fällig gewesene 800-jährige Jubiläum der Bruderschaft nachgeholt - das Vereinshaus war zu neuem Leben erweckt.

1954 war der Zustand des Hauses so bemitleidenswert, dass Abbruchgedanken aufkamen. In dieser Zeit diente es den Bauern als Kornspeicher. Das noch feuchte Getreide wurde großflächig auf dem Saalboden zum Trocknen ausgelegt - so erfüllte das Bruderschaftshaus einen guten Zweck. Auch dieses Mal entschied man sich wieder für eine Instandsetzung des Hauses – unter anderem erhielt die Außenfassade einen rosafarbenen Anstrich.

Die Ostseite des Vereinshaus
Die Ostseite des Vereinshaus

Nachdem die Bruderschaft 1956 eine eigene Ausschankgenehmigung bekommen hatte, rückte sie mehr und mehr in den Mittelpunkt des dörflichen Geschehens. Karnevals-, Kirmes- und Maibälle wurden hier neben dem Bruderschafts- und Patronatsfest abgehalten.

1958 wurde der Saal erweitert. Es entstanden ein Entreebereich mit Schankraum, eine neue Toilettenanlage, ein Abstellraum, die heutige Bühne inklusive Musikbühne. Der Nordostanbau wurde gleichzeitig unterkellert. Die Dachpfosten, welche die Dachkonstruktion stützten, verschwanden - plötzlich war viel mehr Platz - ein ganz anderes Raumgefühl entstand.

1971 erfolgte die Verklinkerung des Hauses, Fenster und Türen wurden erneuert - die ursprünglichen Rundbögenfenster gingen verloren.

Verklinkerung des Vereinshaus
Verklinkerung des Vereinshaus

Dank der Zuteilung von Landeszuschüssen nahm man den Saalanbau inklusive der Unterkellerung östlich in Angriff. Am 12.11.1971 begannen die Arbeiten. Im Keller des Anbaus wurde eine Öl gefeuerte Warmwasserheizung installiert und man schaffte eine Theke mit Speisenraum – zur damaligen Zeit der Renner. Im Saal wurde eine Decke mit Entlüftungsanlage eingebaut. So präsentierte sich das Haus im Mai 1972 beim Bundesschützenfest nach 7.500 freiwillig geleisteten Arbeitsstunden modernsten Ansprüchen. Auch nach 1972 befassten sich die Brüder immer wieder mit ihrem Vereinshaus, besserten aus, renovierten und veränderten. So musste man wieder einmal dem Dach zu Leibe rücken, neue Toiletten einbauen und Isolierungsarbeiten vornehmen.

Die neue Theke im Vereinshaus
Die neue Theke im Vereinshaus

1986 begannen schließlich die Planungen für die sogenannte Bierschwemme. Die Kellertheke, einst beliebter Treffpunkt,wurde zur Garderobe umgebaut und anlässlich des Bruderschaftsfestes 1988 wurde das erste Bier im neuen Thekenraum gezapft.

Überdachung des Eingangs
Überdachung des Eingangs

Der ganze Saal wurde komplett umgestaltet und modernisiert. Es entstanden eine Küche, Kühlräume und ein großer Essraum. Zusätzlich wurde der Eingangsbereich innen und außen neu gestaltet. So konnte das große Jubiläum, die 850-Jahrfeier der Bruderschaft im Jahre 1989 glanzvoll begangen werden.

Chronologie

  • 1865 Kauf des Schießplatzes
  • 1866 Errichtung eines Kreuzes auf dem Platz
  • 1873 Grundsteinlegung des Vereinshauses
  • 1892 Erneuerung des Fußbodens in Pitchpine
  • 1899 Schaffung zweier Notausgänge
  • 1909 Anlegung neuer Aborte
  • 1914–1925 Ausfall von Saalfeiern
  • 1925 Stromanschluss statt Petroleumlampen
  • 1948 Verlegung einer Wasserleitung
  • 1949 Anbaueiner Musikbühne nördlich des Saales
  • 1956 Eigener Ausschank/Gymnicher Ritt
  • 1956 Heizung durch Gasstrahler zur Kirmes
  • 1958 Nord–Ostanbau
  • 1971–1972 Verklinkerung und Vergrößerung des Hauses
  • 1974 Einbau einer Garderobe
  • 1980 Installation neuer Toiletten mit Urinalbecken
  • 1981 Austausch des Heizkessels für die Öl gefeuerte Warmwasserheizung
  • 1986 Sanierung des Dachstuhls
  • 1987–1989 Ostanbau
  • 1990 Die Bühne wurde renoviert
  • 1992 Eindeckung des Saaldaches mit Berliner Wellen
  • 1997 Der Fußboden wurde in Eichenparkett verleget
  • 2001 Installation eines neuen Heizkessels: Umstellung von Öl auf Erdgas
  • 2015 Der Saal erhielt eine neue Akkustikdecke
  • 2018 Neue Fenster wurden eingebaut

1990 folgte die Renovierung der Bühne.

1997 ging dann ein weiterer lang gehegter Wunsch in Erfüllung - der Fußboden, der über die Jahrzehnte immer wieder ein Thema war, wurde nach reiflichen Überlegungen komplett neu verlegt – in Eichenparkett.

Das neue Parkett im Bruderschaftshaus
Das neue Parkett im Bruderschaftshaus

2004 wurden neue Tische und Stühle angeschafft.

Neue Tische und Stühle im Bruderschaftshaus
Neue Tische und Stühle im Bruderschaftshaus

Im Jahre 2023 blicken wir nun auf 150 Jahre Vereinshaus St. Seb. Bruderschaft zurück. Neun Präsidenten kümmerten sich bis zum heutigen Tag um das Wohl und Wehe des Gebäudes und erwarben sich nicht zuletzt wegen ihres Einsatzes bleibende Verdienste.

Wir sind stolz auf unsere Vorfahren, die unser „Broderschaftszelt“ immer wieder aufgebaut und erhalten haben. Heute ist es uns eine Ehre und Pflicht, dass, was unsere Urgroßeltern geschaffen haben, zu erhalten, zu bewahren und weiter dafür zu sorgen, dass unser Bruderschaftshaus immer wieder im Glanze erstrahlt und die Mauern Zeugen von vielen schönen Ereignissen werden.

Den Artikel mit Bildern gibt es auch als PDF-Datei zum Download.

Fotos: aus Privatbeständen
Texte: Protokollbuch und Wohlthäterbuch der Bruderschaft Sonderausgabe der St.Seb. Bruderschaft anlässlich des 125jährigen Bestehens des Vereinshauses an der Brüggener Straße von Annette Mandt
Entwurf der Schautafel: Stefan und Kläre Schmitz