von Franz-Josef Welter (aus der Festschrift zur 850-Jahr-Feier v. 1989)
Bereits am 6. Januar 1121 bestätigt der Erzbischof Friedrich I. von Köln Verfügungen des Siegburger Abtes Kuno I. zum besseren Unterhaltdder sich ständig vermehrenden Zahl von Mönchen zu erbringende Ablösungen u.a. auch aus Gymnich (vgl. Urkunde Nr. 34 in Urkunden und Quellen zur Geschichte von Stadt und Abtei Siegburg – Siegburger Urkundenbuch – 2. Auflage, 1985). Im Jahre 1139 ist in einer Urkunde des Erzbischofs Arnold I. über die Bereinigung von Streitigkeiten mit dem Ezelin von Gymnich die Rede, der mit seinen Freunden ihre predia zu Gymnich für 100 ½ Mark 15 sol. An den Abt verkauft hätten, und Ezelin sei nun als Vogt damit belehnt worden, dieser (Ezelin) habe aber – damit nicht zufrieden – den Zehnten für sich beansprucht und die caminata des Abtes als sein Lehen erklärt. Der Streit wurde dadurch beigelegt, daß Ezelin zu Siegburg den Lehnsbesitz formal zurück gab und dann offiziell wieder zurück erhielt, die caminata auf Lebenszeit und den mansus als erbliches Lehen (vgl. Regesten der Erzbischöfe zu Köln, Nr. 376, und Siegburger Urkundenbuch, Nr. 46). In einer weiteren Urkunde des Abtes Nikolaus von Siegburg aus dem Jahre 1168 wird dann festgehalten, daß die Ansprüche, die der Vormund der Kinder Ezelins, Reinhard von Gymnich, auf den Herrenhof des Klosters erhob, durch eine Abfindung erledigt wurden (vgl. Urkunde Nr. 66 in Siegburger Urkundenbuch). Schließlich nimmt Papst Innozenz III. das Siegburger Kloster am 20. Juni 1206 in seinen päpstlichen Schutz und bestätigt ihm u. a. auch in Gymnich seine Zellen und Besitzungen (vgl. Urkunde Nr. 83 in Siegburger Urkundenbuch). Im Laufe der Zeit vermehrt sich dann der Besitz des Klosters zu Gymnich um seine „Zelle“ durch fromme Stiftungen, z. B. durch eine von Erzbischof Dietrich I. bekundete aus dem Jahre 1211:
Der Graf Adolf von Berg rüstete sich zu einem Zug gegen die Feinde des Glaubens (gegen die Albingenser) und übertrug mit Zustimmung seines Bruders Engelbert dem Abt Godefrid und der Kirche von Siegburg einen innerhalb des abteilichen Dezimationsbezirks bei der villa gimnich (Gymnich) gelegenen Zehnten zu seinem und seiner Eltern Seelenheil, nachdem der damit belehnte, gleichfalls gegen die Ungläubigen ziehende Ritter Bonifacius sowie dessen Bruder Gerhard und Verwandter Albert Strickemann für die Resignation mit Geld entschädigt worden waren (Urkunden Nr. 85 und 86 in Siegburger Urkundenbuch). - Und ein weiteres Beispiel für den Besitz und Einfluß des Siegburger Klosters in Gymnich: Am 31. Januar 1291 bekundete Erzbischof Sifrid, daß die vor ihm erschienenen Parteien, der Abt von Siegburg für sich und seinen Konvent und die Kölner Bürger Herman gen. Sterre jun., dessen Frau Agnes und ihre Kinder ..., wegen des Hofes und der Vogtei zu Gemenich (Gymnich) ihn zum Schiedsrichter erwählt und seine Entscheidung bei einer Buße von 3.000 Mark zu halten gelobt hätten. Sein Spruch ergeht dahin, daß der Hof und die Vogtei, die Ritter Johann von Gymnich mit Zustimmung der Abtei von den Eheleuten zu Lehen trägt, noch 11 Jahre lang, vom 18. Juni 1291 an gerechnet, als abteiliches Leben im Besitz der Sterres bleiben, dann aber an die Abtei zurück fallen sollen. Forderungen, die jene noch an die Abtei zu haben glauben, sind mit den urkundlichen Belegen am Tage nach Christi Himmelfahrt seiner Entscheidung zu unterbreiten. Theodrich (Sterre) und sein „consenguineus“ Arnold werden aus der Gefangenschaft, in der sie „occasione abbatis et Udonis de Bergerhusen“ gehalten werden, entlassen, und die „atziinge“ist von der Abtei zu bezahlen. Alleauf den Streitgegenstand bezüglichen Urkunden werden kassiert. Etwa noch entstehnde Meinungsverschiedenheiten sind der Entscheidung des Erzbischofs oder seiner Nachfolger vorbehalten (vgl. Regesten der Erzbischöfe von Köln).
Die Geschichte von Gymnich, der Herren von Gymnich, des Gymnicher Ritts und der St. Sebastianus Bruderschaft sind eng miteinander verbunden (vgl. dazu auch den Aufsatz des Verfassers in der Festschrift zum Bundesschützenfest 1972, auf den bezüglich der Ortsgeschichte und des Gymnicher Ritts verwiesen wird). 1138 bis 1254 regierten die Deutschen Kaiser und Könige aus dem Hause der Staufer. Es war dies die Blütezeit romanischer Bau- und Bildhauerkunst, des Rittertums, der Kreuzzüge und nicht zuletzt der christlichen Brüderidee. Besonders im Mittelalter hatten sich nämlich von der Kirche erlaubte und geförderte Vereinigungen von Gläubigen gebildet, die sich zu besonderer Frömmigkeit und guten Werken verpflichteten, ohne ein Ordensgelübde abzulegen. Diese Bruderschaften (fraternitates bzw. confraternitates) gingen von Mönchsorden aus, die für Laien verschiedenen Standes Bruderschaften gebildet hatten, die lose den Orden angeschlossen waren (vgl. dazu Nischang, „St. Servatius u. d. Michaelsberg“, 3. Bd. 1987, S. 151 ff.). Diese Vereinigungen verehrten besonders die Gottesmutter, den hl. Antonius, den hl. Johannes...
Diese fraternitates, seit dem 12. Jahrhundert bezeugt, waren oft genossenschaftliche Vereinigungen, die nach Nischang (o. a. O.) aus der germanischen Einrichtung der Tisch- und Hausgemeinschaft hervor gegangen waren. Sie trugen zur Mehrung des amtlichen Gottesdienstes durch besondere Andachten, Messen, Wallfahrten und Prozessionen bei. Neben der karitativen Tätigkeit ging es vor allem um die Sicherung des eigenen Seelenheils und des Gedächtnisses für die Verstorbenen. Sämtliche Privilegien der Ritter von Gymnich, aber auch z. B. sämtliche Berufe ergingen vom geistlichen Herrn, dem Erzbischof von Köln oder dem Abt von Siegburg, so daß sich aus dieser Identität des weltlichen und geistlichen Herrn die Betonung der religiösen Bräuche als Hauptzweck der Bruderschaft ebenfalls ergab.
Die Gymnicher Sebastianer führen ihre Herkunft auf eine derartige religiöse Bruderschaft zurück, auf eine Gemeinschaft, die Historiker als „Gebetsverbrüderung“ bezeichnen. Theo Reintges bestätigt in seinem Werk „Ursprung und Wesen der spätmittelalterlichen Schützengilden“ (Rheinisches Archiv Bd. 58, Bonn 1963) für die Gymnicher Bruderschaft „aus einer ehemals religiösen oder caritativen Bruderschaft“. Ludwig Mathar stellt die Verbindung zum Fronhof der Abtei Siegburg her auch für die spätere Schützenbruderschaft, die zum Schutz des Landfriedens mit dem Bogen umzugehen verstand. Er schildert auch die Legende von der Entstehung des Gymnicher Ritts, wonach das Gelübde des Ritters außer der jährlichen Flurprozession auch noch die Gründung einer Bruderschaft zur Verteidigung des Glaubens, zur Unterstützung der Armen und zum Schutz der Heimat beinhaltet habe.
Zu welchem Zeitpunkt sich die Bruderschaft den heiligen Sebastian zum Schutzpatron erkoren hat, ist nicht mehr genau zu datieren. Um das 13. Jahrhundert kommt das Schützenwesen zunächst in Flandern auf und verbreitet sich im Rheinland und im Reich. Unklar wie die Entstehungszeit ist auch der Zweck der Schützenbruderschaften: Wurden sie aus einem Verteidigungsbedürfnis heraus gegründet oder waren sie ein Nachahmen der glanzvollen Ritterspiele und Turniere durch das einfache Volk?
In der Mitte des 14. Jahrhunderts trat die Pest auf. Es bildeten sich Pestbruderschaften als Sebastianusbruderschaften (z. B. ausdrücklich Sebastianusbruderschaft Zülpich), die sich der Pestkranken annahmen, die Leichen bestatteten und durch die Errichtung von Altären, Kapellen und dgl. sowie die Verehrung des hl. Sebastian und anderer Pestheiliger wie Rochus, Christopherus, der hl. Anna, des hl. Eremiten Antonius und der 14 Nothelfer zur Abwehr beitragen sollten. Das Pestkreuz der St. Sebastianus Bruderschaft an der Vogelruthe (ehemaliger Schießplatz der Bruderschaft; heute „Vorpforte“) wurde 1855 erneuert. Bei Einbruch der Pest am 20. Juli 1665 verbreitete sie sich von Köln aus über die ganze Umgebung. Sie wütete über drei Jahre und verschonte keinen Ort und kein Gehöft unserer Heimat. Vielerorts wagte man nicht, das Getreide von den Feldern zu holen. Mit der Errichtung von Kreuzen an den Ortsgrenzen hoffte man, dem „Schwarzen Tod“ Einhalt zu gebieten.
In Gymnich stehen noch heute solche Wegkreuze an der Vorpforte und der Kerpener Straße, sowie das „Anna-Kapellchen“ am Ende der Kohlstraße und die Mariensäule am Fußfall. Die Überlebenden der Pest aber gelobten an den Altären des Hl. Sebastian, sein Namensfest am 20. Januar wie einen Feiertag zu halten mit feierlichem Kirchgang bis auf „Ewige Zeiten“. Reintges (o. a. O.) vermutet, daß aus diesen Bruderschaften nach Wegfall ihrer Hauptaufgabe Schützenbruderschaften wurden. Eine Hauptaufgabe war u. a. auch der Schutz der im 13. Jahrhundert aufgekommenen Fronleichnamsprozession (die strenge Prozessionsteilnahmepflicht ist in den Articuln von 1697 für die Gymnicher Brüder nachlesbar).
Erste ausdrückliche Erwähnung der Bruderschaft als Sebastianusbruderschaft verdanken wir dem Burgkaplan Fabritius, der während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648 ) rückblickend ab 1633 bis ins Jahr 1502 im Auftrage der hochedlen Frau Margaretha zu Gymnich alte Bücher (Chronik) neugeschrieben hat „von 200 Jahr vorher und noch mehr, und konnte nicht alles mehr lesen und schreiben, weil sie waren von Mäußen zerfressen“ (Liber historialis des Alberty Fabrity – Albert Schmitt – im Pfarrarchiv zu Gymnich). Diese Erwähnung wird in einem Vermächtnis an die Bruderschaft mit folgendem Text festgehalten: „Unser Lieben Frawen, St. Antony und St. Sebastiani Broderschaft! Dieser Broderschaft haben Johan Plitt und Sophia, Eheleut, Bürger zu Sigburg 13 viertel Lantz Anno 1510 vermacht, um ihrer Vorderen und Nachkommender Seelen, zu dem ewigen dagen mitt vorbitt eingedenck zu sein“. Eine weitere Verfügung dieser Familie Plitt (oder Pleyd) an die Bruderschaft ist in einer Originalurkunde erhalten (!) mit dem schwer lesbaren Text des ausgehenden Mittelhochdeutsch. Sie wurde von Pfarrer Weißenfeld an Hermann Josef Robens übergeben und ist original abgelichtet.
Aus dem handgeschriebenen Buch „Liber historialis“ des Alberty Fabrity (Albert Schmitt) im Pfarrarchiv zu Gymnich: Eine Passage des vor dem Notar Henricus aufgenommenen Vermächtnisses hier in lateinischer Schrift:
„synt da selffs vor myr, offenbar notario und den getzugegen h. Unden geschriven, pesoinlich erschenen der ersamen Johan Pleyd und Sophia syn elige Huyfrauwe burger zo Syberch und hant vor unß gesacht und bekannt dat sy in vurjaren gegeven hetten, E Brodermeystern der loefflicher broderschaften Marien der Hemelsser kainerckynen uiner Junffauwen und der zweyen Marschalken sint Anthony und sint Sebastianuß, die man s. Jarß haldende ist zo Gymnich in der kuppelskirchen deß hilgen busscops sint Cunibertuß und hanent dar umb die selven elud die selven gyfft und updracht der selven erffschaff, naemlich d. senech verdell avslandß tschen heddekoven in Lechenicher herlichket gelegt und dar zo noch anderhalven morgen landß up Areme Wege der wech durch gheyt [...]
Etwa frei übersetzt lautet der gesamte Text: Im Jahre 1519 nach unseres Herrn Geburt, am Montag, dem 6. Juni (braechment = Brachmonat), um elf Uhr vormittags, zu Zeiten unseres allerheiligsten im Herrgott lebenden Bischofs und des Papstes Leo X., in dessen siebtem Amtsjahr, erschienen vor mir, de, öffentlichen Notar, und den unten genannten Zeugen persönlich die ehrbaren Eheleute Johann Pleyd und seine Ehefrau Sofia, Siegburger Bürger, und legten dar, daß sie bereits in früheren Jahren Land übertragen haben an den Brudermeister der löblichen Bruderschaft von der Himmelskönigin und Junfrau Maria sowie ihrer zwei Marschalle, die Heiligen Antonius und Sebastianus, die man das ganze Jahr über zu Gymnich in der Kuppelskirche des heiligen Bischofs Kunibert verehrt, und daß sie nun dieser als Geschenk und Auftrag zur Erbschaft verfügen, das bekannte Viertel Unland, in Richtung Heddinghoven gelegen im Lechenicher Feld und dahzu noch eineinhalb Morgen Land am Ahremer Weg, das vom Weg durchschnitten wird. Sie hätten das Land bereits in den Besitz übertragen dem Sohne Thomas des Brudermeisters Arnold Engelbert vom Sankt-Antons-Hof in Gymnich zum Nutzen und zur Wohlfahrt behauff (= auf den Haufen?) der genannten Bruderschaft. Das oben Geschriebene geschah am Tage des Herrn und zur Zeit des genannten Bischofs in der Halle des Hauses der genannten Eheleute im (Beisein der ehrsamen Dame ?) und in Gegenwart von Claas Lantscharder, beides Siegburger Bürger und als ehrbare Zeugen beigezogen. Die Echtheit bekunde ich, Heinrich Rasseler aus Starkenbach bei Siegburg, Vikar der Kölner Erzdiözese und amtlicher Notar; ich habe dies eigenhändig im Beisein und nach Zustimmung unterschrieben.
Die Gymnicher Bruderschaft war also 1519 eine religiöse Bruderschaft, angelehnt an den Hof der Siegburger Abtei, die in Gymnich die weltlichen Brüder stützte. Die Widmung der Bruderschaft an die jungfräuliche Himmelskönigin war m. E. am ältesten, dann sind wohl der hl. Antonius und der hl. Sebastianus hinzu gekommen und letzterer blieb übrig, als das Schützenwesen sich stärker durchsetzte.
Aber noch etwa geht aus der Urkunde hervor: Die Vorgängerin unserer schönen Kirche mit Zwiebelturm war um das Jahr 1500 bereits mit einer Kuppel geziert („kuppelskirchen“). Das war im Rheinland damals sicher noch seltener als heute. Zurückzuführen ist das sicher auf die enge Bindung der Gymnicher Herren an die Habsburger Kaiserfamilie, in deren Stammlanden diese Kirchturmform häufig vorzufinden ist. (Die Kaisertreue zeichnete ja bereits Arnold von Gymnich aus, der zu Zeiten des Staufers Friedrich II. Schultheiß von Aachen war). Zuletzt, im 18. Jahrhundert, wurden übrigens die am Hofe des Kölner Kurfürsten besonders einflußreichen Herren von Gymnich der „Österreichischen Partei“ zugerechnet.
Von Fabritius (ca. 1632) wissen wir auch, daß anno 1504 in der alten Gymnicher Kirche ein Altar zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit stand, auf den Arnold von Gymnich wöchentlich 4 Messen gestiftet hatte. Er berichtet u. a. auch über die „altare sancti sebastiani, altare sanctae Annae, altare sanctae crucis“ und schreibt, ob die Bruderschaft Sancti Sebastiani mit ihrem Einkommen auf diese Altäre etwas fundiert, „kann nicht demonstrirt werden“. Nach dem alten Bruderschaftsbuch (im Jahre 1832 von dem Vorstandsmitglied Theodor Wolff angelegt und bis 1850 fortgeführt mit Rückblicken in die Geschichte der Bruderschaft) wird die Einführung als Sebastianus-Bruderschaft auf ein Veranlassung des Kölner Erzbischofs, eines Bruders des Kaisers Albrecht zurück geführt, zu Zeiten des Papstes Johannes XXIII. (während des Kirchen-Chisma); in diesem Zusammenhangwird auch Papst Martin V. erwähnt, der bekanntlich das Baseler Konzil vorbereitete, so daß dies Anfang des 15. Jahrhunderts gewesen sein müßte. (siehe auch http://www.cafe-vischeltal.de/7.html)
Die enge Verbindung mit den Herren von Gymnich, die stets Förderer und Protektoren der Bruderschaft waren, kommt bei Fabritius ebenso zum Ausdruck wie im alten Bruderschaftsbuch: „Um euch bekandt zu machen welche die Stifter (Gönner) unser geselschaft sind, die erst ist Karelotto freyherr von Gymnich (1715 – 1785) und Pastor Schmitz (1718 – 1741) diese haben verordnet jeder Bruder müste jeden Tag Glaube Hoffnung und Liebe, und Reue und Laid er wäcken und 5 Vaterunser bethen damit der Liebe gott alle übeln leibs und der sele von uns abwende“. Nach dem Dreißigjährigen Krieg lag nicht nur das ganze Reich darnieder (Deutschland war verwüstet, mindestens ein Drittel der Bevölkerung getötet, der Rest verelendet und verroht), sondern auch die Bruderschaft war herunter gekommen. 1697 formierte sie sich neu! Im alten Bruderschaftsbuch heißt es:
„Das Jahr 1697, den 28ten April war die Bruderschaft in einem schleden zustand, da wurde der Bruder Meister von der Bruderschaft aufgefordert Rechnung ab zu legen, weil er aber nicht Erschen ist, so hat die Bruderschaft zu einem neue Wal geschriden, der Freyherr von Gymnich als Präfet derr Herr Pastor Loei zum subprefet und die beiden herrn Sacelaound oder Promissarium zu Assidenden, oder Vikarius zu erbitten der Bruderschaft zu Respective wolle, die Ehrwürdige Herren Conrad Weber und Johann Inden und Johann Häck haben zu einer neuer Wall geschriden zum Brudermeister wurde bestimmt Johann Conrad Schultes Siburger Keller diejenige, die ihre noch nicht abgelifert Schilden, sollten gerichtlich verfolgt werden, so wurde von der Bruderschaft beschlossen alle Jahre, auf dem Heiligen Sebastianus Tag die Rechnung abgelägt werde. Unter disem Brudermeister waren über die Tausend Brüder in der Bruderschaft, unter ihm sind gestorben 296 Brüder; dieser Brudermeister hat alles gewissenhaft aufgezeichnet, er hat die 4 Quartalsmesse, und die Messe auf Sebastiantag, wier die Fromme stiftung gemacht hat, und wie vil Schilde wie gros der Vogel, wie vil Pfundt er wicht ein Krantz über 2 hundert Schilden, wie gros die Vögel Goldene Schilden, eine seidene gestickte Fanne die hundert Reichsthaller gekostet hat, einen Eisenstangen zu schwär gewäsen, eine schönne ? und Fromme deren wenige in der näe sind gewäsen. Dieser Brudermeister ist 50 Jahr Brudermeister gewäsen [...]
Die Neuformation des Jahres 1697 brauchte auch eine Überarbeitung (Anpassung) des Statuts; in der Abschrift durch den Brudermeister Johann Flohr werden sie 1851 als die „alten und 1697 renovirten Articuln bezeichnet.
Welcher in die Bruderschaft aufgenommen wird und sich einschreiben laset, soll zu Ehre deß Hl. Sebastiani Ein Pfund Wachs einliebern,
Weila von einem in Godt ruhenden frey-Herrn zu Gymnich Herrn Adolphen ... zu Bezeigung seines Eiferß zu dieser Bruderschaft verordnet worden, daß derjenige so diese Bruderschaft bei lebzeiten verlaßen und dieselbe gänzlich quidiere wolte, der Bruderschaft mit vier reichsdahler verfallen sein solle, alß soll es auch hinführo fest dabei gehalten werden.
Welcher Bruder auf St. Sebastiani Tags dem ambt der Heil. Messen und dem offergang nicht beywohnet ohne rechte Entschuldigung soll ¼ Pfd. Wachs zu Ehre Gottes und deß Hl. Sebastian dem Bruder Mstr. einliebern.
Weila dan die Hl. Quartall Meßen absönderlich zu Trost der abgestorben und Versöhnungs der annoch lebenden Brüder und Schwestern dieser bruderschaft des Heil. Sebastiani alß Ein ohnendlicher Schatz und ohnschätzbareß Opfer worhin von Godsehl leuthen fundieret worden, alß sollen alle brüder und schwestern ahn bemerkten quartallen sowohl alß bey Eineß bruderß und schwesters begräbnis in der Heil. Meßen Erscheinen, sind ohne anzeigung bey dem zeitlichen brudermstr. nicht ausbleiben, dafern aber ohn angemelt außpleiben würde, soll vorß Erste zweite und dritemal jedeßmahlß mit 2 alb. vorß 4de mahl aber mit 4 Pfd. Waaß Verfall seyn, und wenn er sich demnächß nicht wiederumb alß Einen rechtschaffen Bruder gebühret, Einstellen werde solle er mit Hergebung Vier reichsdahler wie beym 2den als vermeldet von der bruderschaft gewießen werden.
alle Brüder sollen vürderhin be voriger straf der 2 albus verpflichtet sein die 2 oder 3 meßen sondags nach Begräbnis Eineß bruderß oder Schwester der Heil. Meßen und dem Offergangs fleißig bey zu wohnen.
Diejenige so bey Zusammenkunft der Bruderschaft sich zanken, schelten oder schlagen werden, solle ein jeder der bruderschaft mit 2 Pfd. Waaß verfallen sein.
Diejenige so alterß und schwachheithalber nicht Ebenlieret (ebenbürtig) sein, und sonst mit einem rohr (gewehr) umbgehen könen, sollen schuldig undverpflichtet sein, so woll ahn dem Vogellabschießungstagß, als in den proceßionen wie von alderß bräuchlich mit demßelben gehörig ohnß der Trommel folgen und gleichß andern sich verhalten bei straf Eineß halben Pfd. Waaß.
Derjenig so der Vogel abschießen wird soll daß Jahr König sein, und auß gnädig Einwilligung beiderßeits Obrigßkeit das Jahr von Herrn und Nachbar dinßten befreyet sein.
Dem König soll der Vogell mit den Schildern ohnzahlent überliebert werden und er König solche daß Jahr bewahren, bey seiner Abstehung aber denselben mit den gezehlten Schildern neben dem seinen wieder umb in die Hände deß brudermeßt. überliebern und waß ahn dem Vogell und den Schildern mangiert würde auß dem seinen Thätlich erstatten.
Bei den Vogell abschießen Ist der abgestandene König verpflichtet dem Neuen König sambt den geistlich und Vorstehern der bruderschaft Eine freie Mahlzeit zu thun.
Der neue König soll hingegen den bedienten der bruderschaft und dem abgestandenen König Zweimal im Jahr nemlich auf HH. Fronlich nambstags und HH Himmelfahrts Tag Eine freie Mahlzeit geben.
Der alte König soll auß seinen Mitteln beim Vogellabschießen 4 paar Bendeln und 1 Touß in riemen darstellen.
Die brüder sollen unter sich 2 a 3 ahms Bierß kaufen wohn eß ihnen gefällig und davon sollen allebrüder Zahlen sie seyn gegen währtig oder nicht wan sie nur im Dorf wohnet.
Obgfs bier zu drinken dazu solle der alte König bey sich oder sonßt Einem anderen bequemen ohrt anstallt machen und soll er ein halb malter weitzen zu wecken backen laßen daß jederein sein Theil davon werde, welchiß der alte König halb und die andere Halbheit die brüder zahlen sollen.
Wenn die schützen oder Brudertrommel geschlagen wird, soll jeder derselben mit dem rohr folgen und zu deß zeitliche Königs Hauß sich Verfügen woßelbst der Hauptmann sie versammeln und abholen solle under straf ½ Pfd. Waaß.
Die zwe jüngßte brüder sollen in der heiligtrachten das bild deß Heil. Sebastiani vor tragen.
Letzlich sollen alle brüder deß Tagß nach dem Vogellabschießen absonderlich verpflichtet sein, der Heil. Meßen und offergangs bey zu wohnen, beder straf ¼ Pfd. Waaß. -Diese Vorbeschriebenen Articuln ollen beym Vogelabschießen zu jedermannß wißenschaft abgeleßen, und vor den brüdern darob feßt gehalten werden, under vorbenannten strafen.
In einer Urkunde des Jahres 1710 (Text in der Festschrift 1972) wird durch Johann Adolph Ferdinand Freyherr von Gymnich das Loos Broich für den König genehmigt, sowie diese Articuln bestätigt: „im übrigen soll betreffend Bruderschaft nach den in Anno 1697 renovirten Articuln praecioso gehalten werden“. Aus der Fassung der Urkunde kann geschlossen werden, daß die Herren- bzw. Frondienste abgeschafft waren. Die Bruderschaft bestand damals schon – wie auch mündlich überliefert ist – aus freien und selbständigen Bauern und Handwerkern. Während andernorts in Deutschland Leibeigenschaft vorherrschte, ist es hier im Rheinland nie zu einer völligen Verknechtung der Landbevölkerung gekommen.